Wenn es regnet, die zahlreihen höhengleichen Bahnübergänge geschlossen sind und die Glocken läuten, dann ist in Münster Sonntag, scherzte die Stadtführerin. Doch unbeständiges Wetter war für Manfreds Reisefreunde Fehlanzeige, geschlossene Bahnschranken waren die Ausnahme. Und: die Hauptstadt Westfalens hat noch viel mehr zu bieten als das Geläut von 85 Kirchen.
Eschenbach. (do) Bei einer zweistündigen Stadtführung lernten die Oberpfälzer bei ihrer Kulturreise ins Münsterland zunächst das Gesicht einer geschichtsträchtigen Stadt kennen. Die 300.000-Einwohner-Metropole hat turbulente Zeiten hinter sich. Heute präsentiert sie sich nach verheerenden Bombenangriffen im 2. Weltkrieg wieder als lebendiges Geschichtsbuch und doch der Zukunft zugewandt. Münster hat Charme, das Miteinander von ehrwürdiger Tradition und quicklebendiger Gegenwart beeindruckte auch die Oberpfälzer.
Münster, das bedeutet Dom und Bischofssitz, eine weltoffene Stadt schon im Mittelalter, Meisterwerke der Baukunst, Genussstationen einschließlich Korn und Pumpernickel, die Wiedertäufer-Käfige von St. Lamberti, die „historischen Verfehlungen“ der Wiedertäufer, Münster als Krimistadt mit dem Tatort und seinen „wahren Verbrechen“ und ganz selbstverständlich die Stadt des Westfälischen Friedens. Damals, im Jahr 1648 erwirkte eine Vielzahl von europäischen Mächten den historischen Friedensschluss nach 30 Jahren Krieg in Europa. Ein epochaler Vertrag, geschlossen am 24. Oktober 1648 im katholischen Münster und verkündet am 25. Oktober 1648 vor der Rathaustreppe des lutherischen Osnabrück.
Die Besuche der beiden Stätten des Westfälischen Friedens und der Friedenssäle als Verhandlungsorte, Vertragsabschlüsse und Bekanntmachungen gehörten deshalb zu den markanten Besuchsterminen der Reisegruppe. In beiden Städten und Rathäusern legten die Kaiser, Könige, Kurfürsten und Fürstbischöfe die Grundlagen für die heutige europäische Staatengemeinschaft. Die Friedensverträge entwickelten sich mit ihren völkerrechtlichen Bestimmungen zur Säule internationaler Beziehungen und zum Leitgedanken einer politischen Kompromissfähigkeit. Auch die Friedensstadt Osnabrück überraschte die Reisegruppe mit ihren vielfältigen Sehenswürdigkeiten. Besonders die historischen Bauten und imposanten Bürgerhäuser vereinigen sich zu einem künstlerisch einmaligen Altstadtensemble. Einige Stunden gehörte die urige Atmosphäre in den Fußgängerzonen der Stadt, begleitet von einer versierten Stadtführerin, auch Manfreds Reisefreunden.
Ein kleines, beschauliches, flaches Ländchen, dem früheren Herrschaftsgebiet der Münsteraner Bischöfe, eröffnete sich der Reisegesellschaft bei einer Tagestour ins Münsterland mit Wasser-Burgen, Wasser-Schlössern, Herrenhäusern, Parklandschaften, jede Menge Fachwerk und viel Natur und Kultur. Bei gutem Wetter ist es schwer, im Münsterland ein Landschaftsfoto ohne Radfahrer zu schießen. Im Münsterland werden die Kinder mit einem Fahrrad geboren, behauptete der temperamentvolle Fremdenführer. Und kaum seien die Kinder auf der Welt, finde man sie auf den Pferderücken wieder. Ja, das Münsterland ist Per Pedes-Land, Pferdeland und ein Landstrich mit viel kultur-historischem Glanz. Sie müssen schon immer reich gewesen sein, die Münsteraner.
Der Beweis wurde rasch geliefert. Die barocke Pracht des Schlosses Nordkirchen kam in Sicht. Das „westfälische Versailles“ stellte sich der Reisgruppe als Gesamtkunstwerk von internationalem Rang dar. Genutzt wird es seit einem halben Jahrhundert überwiegend von den Geldeintreibern. Das größte Wasserschloss Westfalens ist Sitz der Fachhochschule für Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen. Kontraste auf Schritt und Tritt begleiteten die Oberpfälzer. Dem barocken Bau-Juwel in Nordkirchen folgten Spaziergänge um Trutzburgen und Adelshöfe, eine „spektakuläre Bergtour“ auf die Baumberge, mit 138 Metern über dem Meeresspiegel die höchstgelegene Hügellandschaft des Münsterlandes. Ein hochprozentiger Korn entschädigte für den „anstrengenden Aufstieg“. Ein Muss für die Reisegesellschaft war auch der Besuch bei Anette von Droste-Hülshoff. Auf den Spuren der großen Dichterin rezitierte sie in der Burg im Biedermeier-Kostüm aus ihren Werken.
Während der Rückfahrt führte Manfred Neumann die Reisegruppe zum Deutschen Eck nach Koblenz. Kaiser-Wetter lud auch zu einer Fahrt durchs romantische Mittelrheintal und den Rheingau ein. Als „einfach schön“ erwies sich schon die Anreise. Ohne Programmankündigung beeindruckte die Reiseteilnehmer eine Führung durch den Dom zu Fulda. Die Grabeskirche des hl. Bonifatius hinterließ nachhaltige Eindrücke.
Robert Dotzauer